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Situationsanalyse (Kontextanalyse) zum Projektstart

Vor dem Start eines Projektes ist es für jeden Projektleiter wichtig, sich einen umfassenden und neutralen Überblick über die Vorgeschichte des Projektes zu verschaffen. Eine Situationsanalyse – auch Kontextanalyse genannt – ist hier das beste Mittel der Wahl. 

Zu Beginn eines Projektes ist für den Projektleiter oft unklar, warum es überhaupt zu diesem Projekt gekommen ist und welche Vorgeschichte es dazu gibt. Um als Projektleiter handlungsfähig zu sein hat es oberste Priorität, sich einen Überblick über das Projekt und seine Vorgeschichte bzw. Hintergründe zu verschaffen. Die Situationsanalyse ist auch eine wichtige Maßnahme zur Risikominimierung und schafft Transparenz im Projekt.

Nachfolgend eine Auflistung von Fragen, denen man sich als verantwortungsbewusster Projektleiter stellen muss. Auch wenn die Zeit immer drängt, und sehr oft auch der Projektauftraggeber, ohne die Antworten zu diesen Fragen zu haben, sollte man sich niemals an einen Projektstart heran wagen.

Der nachfolgende Fragenkatalog muss in den Interviews selbstverständlich nicht allumfassend abgearbeitet werden. Manche der Antworten sind eventuell bereits vor der Durchführung der Gespräche bzw. Dokumentenanalyse aus dem reinen Kontext vorhanden.

Stellt sich allerdings heraus, dass in manchen Bereichen Unkenntnis bei den Betroffenen herrscht oder unterschiedliche Wahrheiten kursieren, lohnt es sich auf jeden Fall, genauer hinzuschauen!

Vorgehen bei der Situationsanalyse

  • Sammlung und Analyse von Informationen durch Interviews und  Dokumentenanalysen
  • Vom Groben ins Detail, Umfang abhängig von Projektart und Projektgröße (zu ermitteln unter anderem mit Hilfe der Projektwürdigkeitsanalyse)
  • Jeweils nach dem Zyklus Informationen sammeln, gliedern und zueinander in Beziehung setzen

Die Erhebung und Untersuchung des IST-Zustandes am Beginn der Planungstätigkeit eines Projektes schafft mit vertretbarem Aufwand Transparenz über den bisherigen Verlauf und die vorherrschenden Projektbedingungen. Erster Ansprechpartner zur Informationsbeschaffung ist selbstverständlich der Projektauftraggeber. Gab es ein Vorprojekt oder eine Vorstudie so sind auch alle daran beteiligten Personen potentielle Interviewkandidaten.

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Basierend auf den Ergebnissen dieser ersten Gespräche muss der Projektleiter entscheiden, wie er weiter vorgeht und wieviel Zeit und Aufwand er in eine weitere Recherche investiert.

Projekt-Kontextanalyse: Fragen zur Vorgeschichte

Die Vorgeschichte zum Projekt zu erheben ist ein Schlüsselfaktor, um ein Projekt erfolgreich umsetzen zu können. Hier ergeben sich oft viele Hinweise auf zu erwartende Schwierigkeiten und Fallstricke.

  • Warum ist der Projektbeschluss gefasst worden? Worin besteht der Hintergrund?
  • Welche Probleme hat es gegeben, die durch das Projekt gelöst werden sollen?
  • Wer hat die Projektentstehung gefördert bzw. erschwert?
  • Welche Entscheidungen wurden bereits im Vorfeld getroffen? Von wem?
  • Welche Dokumente und Unterlagen wurden schon erarbeitet, die verwendet werden können?
  • Gibt es Vorstudien, Analysen, Protokolle, etc. in Bezug auf das Projekt? Welche?
  • Gibt es Vorprojekte? Welche? Wann wurde damit begonnen? Wann wurden diese abgeschlossen?
  • Sind bereits Risiken festgehalten? Welche?
  • Wurden in der Vergangenheit ähnliche Projekte durchgeführt?
  • Wer sind Know-how-Träger aus ähnlichen Projekten in der Vergangenheit?
  • Wie stehen die Mitarbeiter im Unternehmen zu dem Vorhaben bzw. zu den Ergebnissen?
  • Wer sind die größten Befürworter bzw. Kritiker des Vorhabens? Warum?
  • Wer sind die Opinion Leader und wie stehen sie zum Projekt?

Projekt-Kontextanalyse: Fragen zur Projekt-Beauftragung

Hier wird geklärt: Wer steht hinter dem Projekt, wer ist dadurch positiv oder negativ betroffen und was soll dadurch erreicht werden?

  • Was soll durch das Projekt anders werden?
  • Was ist der fachliche bzw. technische Hintergrund?
  • Sind bereits Ziele schriftlich festgehalten? Welche?
  • Wer ist der Auftraggeber?
  • Wie ist die Verfügbarkeit des Auftraggebers für den Projektleiter?
  • Sind Projekt- und Ergebnisanforderungen festgelegt? Welche?
  • Sind Abnahmekriterien vereinbart?
  • Gibt es eine grobe Terminplanung?
  • Gibt es Festlegungen bezüglich Terminen, Kosten, Aufwänden, etc.? Welche?
  • Wer ist vom Vorhaben direkt / indirekt betroffen?
  • Wer sind die Benutzer, Anwender, etc. des Projektergebnisses?
  • Gibt es Besonderheiten im Einsatzgebiet der Benutzer, Anwender, etc.? Welche?
  • In welcher Form ist die Übergabe an die Linie geplant?
  • Welche Bedeutung hat das Projekt für das Unternehmen?
  • Welche Priorität hat das Projekt im Unternehmen?
  • Welche Unternehmensstrategien werden durch das Projekt unterstützt bzw. umgesetzt?
  • Wie beeinflusst das Projekt die Unternehmensstrategien?
  • Gibt es konkrete Abhängigkeiten von bzw. zu anderen Projekten / Vorhaben?
  • Welche Erwartungshaltungen gibt es an das Projekt? Von wem?
  • Hat der Projektleiter Weisungsbefugnis? Welche? Wofür ist er verantwortlich? Wofür wird er verantwortlich gemacht?
  • Wann ist die Aufgabe des Projektleiters abgeschlossen?

Projekt-Kontextanalyse: Fragen zur Projektorganisation

In diesem Kontext wird geklärt, wer am Projekt mitarbeiten soll, ob es genügend Ressourcen dafür gibt, welche externe Beteiligte dabei sind und wie die Berichtslinien und die Steuerung im Projekt aussehen sollen.

  • Welche Organisationseinheiten sind in das Vorhaben involviert?
  • Welche Anzahl an Mitarbeitern aus welchen Bereichen ist erforderlich?
  • Über welche Qualifikationen müssen die Projektmitarbeiter verfügen?
  • Gibt es Rollendefinitionen?
  • Sind die Verantwortungsbereiche klar abgegrenzt?
  • Haben die Projektmitarbeiter Erfahrungen im Projektmanagement? Welche?
  • Haben die Projektmitarbeiter ein Projektmanagement-Verständnis? Wenn ja, wie weit ist dieses ausgeprägt?
  • Welche Interessen und Standpunkte zum Projekt und Projektmanagement sind unter den Beteiligten vorhanden?
  • Haben die Projektmitarbeiter bereits ähnliche Projekte durchgeführt?
  • Sind die Projektmitarbeiter speziell ausgebildet?
  • Haben die Projektmitarbeiter bereits zusammengearbeitet?
  • Sind die Projektmitarbeiter an einem Standort angesiedelt oder auf mehrere verteilt?
  • Stellt der Projektauftraggeber Personal bereit? Welche Mitarbeiter?
  • Gibt es sonstige Bereitstellungen durch den Auftraggeber? Welche?
  • Wie viel Zeit bekommen die Projektmitarbeiter für das Projekt?
  • Sind die Projektmitarbeiter mit weiteren, projektfremden Tätigkeiten betraut?
  • Kann der Ressourcenbedarf intern abgedeckt werden?
  • Wie ist die Situation bezüglich Urlaube, Schulungen und anderer Abwesenheiten der Projektmitarbeiter geregelt?
  • Ist geplant, externe Mitarbeiter hinzuzuziehen? Welche?
  • Gibt es bereits Erfahrungen aus der Vergangenheit bezüglich der Zusammenarbeit mit bestimmten externen Mitarbeitern?
  • Ist geplant, Subunternehmer zu beauftragen?
  • Gibt es Vorlagen für Verträge? Welche?
  • Ist geplant, Maßnahmen für den Fall der nicht vertragsgemäßen Erbringung der Leistungen in die Verträge aufzunehmen?
  • Gibt es Informationen über die Verlässlichkeit von Zulieferern? Welche?
  • Gibt es Alternativen zu potenziell unsicheren Zulieferern?
  • Ist ein Steuerungsgremium / Lenkungsausschuss erforderlich?
  • Sind bereits Gremien, die einen Einfluss auf das Projekt haben installiert? Welche?
  • Sind klare Entscheidungsmechanismen in diesen Gremien etabliert?

Projekt-Kontextanalyse: Fragen zu Vorgehen und Planung

Wichtige Information um eine saubere Projektplanung durchführen zu können.

  • Gibt es unternehmensspezifische Vorgaben für das Projektmanagement? Welche? Steht hinter der Projektabwicklung ein unternehmensinternes Projekt Management Office (PMO), welches die Projektplanung und -abwicklung unterstützen kann?
  • Gibt es unternehmensspezifische Verfahren, Methoden, …, die bei der Projektabwicklung eingehalten werden müssen?
  • Gibt es nicht beeinflussbare Rahmenbedingungen?
  • Welche Projekte laufen im Unternehmen parallel? Können sich daraus Konflikte oder Potenziale ergeben?
  • Welche Kommunikationsmittel und -medien stehen zur Verfügung?
  • Welcher Planungshorizont ist möglich?
  • Welcher Detaillierungsgrad ist für die Planung vorgesehen?
  • Wie wird das Projektcontrolling ablaufen – wie wird das Projekt gesteuert?
  • Wie wird der Projektfortschritt gemessen und dokumentiert?
  • Welche Informationen sollen im Projekt ausgetauscht werden können?
  • Welche IT-Tools können unterstützend eingesetzt werden?
  • Welche Projektmanagement-Templates sind bereits vorhanden und können genutzt werden bzw. sind den Mitgliedern des Projektteams möglicherweise schon bekannt?

Projekt-Kontextanalyse: Fragen zum Kommerziellen

Ein ganz wichtiger Punkt: Woher kommt das Projektbudget und wer verantwortet es.

  • Wer übernimmt die Projektkosten?
  • Wie wird abgerechnet? Gibt es zum Beispiel einen Stundensatz für interne Projektmitarbeiter?
  • Gibt es ein Projektbudget? Mit wem muss dieses abgestimmt werden, falls es zu Änderungen kommen sollte?
  • Wer ist für für die Überwachung des Projektbudgets verantwortlich, damit die Projektkosten nicht aus dem Ruder laufen?

Projekt-Kontextanalyse: Sonstige Fragen

  • Welche Abhängigkeiten gibt es von anderen Ergebnissen, Projekten, etc.?
  • Ist ein formales Änderungswesen geplant? In welcher Form?
  • Ab wenn tritt das formale Änderungswesen in Kraft?
  • Gibt es etablierte Entscheidungsverfahren für das formale Änderungswesen?
  • Wer entscheidet über Änderungen?
  • Wer bezahlt Änderungen?
  • Gibt es eine zentrale Stelle, an der alle Projektdaten archiviert werden können (sowohl elektronische als auch Dokumente in Papierform)?

Ergebnis der Situationsanalyse zum Projektstart

Das Ergebnis der Situationsanalyse stellt eine Momentaufnahme zum aktuellen Projektstatus dar. Man hat jetzt Informationen zur Vorgeschichte und den Erwartungen an das Projekt. Schon stattgefundene Vorarbeiten und Ergebnisse sind bekannt. Wichtig: es gibt keine Garantie, dass nun alle relevanten Informationen zum Projekt auf dem Tisch liegen.

  • Die aktuelle Situation und die bisherige Entwicklung sind systematisch durchleuchtet worden.
  • Der Projektleiter hat einen ersten groben Überblick über das Gesamt-Vorhaben in Bezug auf Ausgangssituation, Hauptziele und beteiligter Personen.
  • Die Verantwortung für die Durchführung der Situationsanalyse und für die Ergebnisse liegt beim Projektleiter.
  • Die Interpretation der Ergebnisse gibt ihm eine Entscheidungsgrundlage für sein weiteres Vorgehen.
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