Kommunikation und Interaktion spielen eine bedeutende Rolle bei der Führung und Motivation von Mitarbeitern, sowie bei der Realisierung von Erfolgen im Unternehmen. Man kann die Kommunikation quasi als „Schmiermittel“ in Organisationen bezeichnen.
Ohne Öl läuft kein Motor – und auch kein Unternehmen. Die erfolgreiche Gestaltung von Kommunikation bzw. dem Dialog als Modell der Kommunikation verlangt jedoch ein erweitertes Verständnis. Empirische Studien zum Arbeitsalltag von Managern haben ergeben, dass diese den größten Teil ihrer Arbeitszeit dazu nutzen (müssen), mit anderen mündlich zu kommunizieren. Erst durch Kommunikation und Interaktion werden Einzelaktivitäten im Unternehmen koordiniert – ja sogar angeregt – und auf das unternehmerische Gesamtziel hin ausgerichtet.
Der Grundvorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation ist schnell beschrieben. Ein Sender, möchte etwas mitteilen. Er verschlüsselt sein Anliegen in erkennbare Zeichen – wir nennen das, was er von sich gibt, seine Nachricht. Dem Empfänger obliegt es, dieses wahrnehmbare Gebilde zu entschlüsseln. Dabei erhält er Informationen über die Stimme, die Mimik und die Gestik des Senders.
Um authentisch zu wirken, sollten diese drei Aspekte dieselbe Botschaft vermitteln. In der Regel stimmt der Inhalt von gesendeter und empfangener Nachricht halbwegs überein, sodass eine Verständigung stattgefunden hat. Um jedoch die Güte der Verständigung zu überprüfen, braucht es eine Rückmeldung darüber seitens des Empfängers, auch Feedback genannt. „Die vier Seiten einer Nachricht“, auch bekannt unter „Kommunikationsquadrat“ oder „4-Ohren-Modell“, wurde von Friedemann Schulz von Thun entwickelt und ist ein weit verbreitetes Modell mit hoher Praxisrelevanz.
Inhaltsverzeichnis
„Die vier Seiten einer Nachricht“, entwickelt von Friedemann Schulz von Thun
Nach dem bekannten deutschen Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun sind bei der zwischenmenschlichen Kommunikation drei Dinge ersichtlich:
- Klarheit ist eine vier-dimensionale Angelegenheit – aus diesem Grund heißt das Modell auch „Nachrichtenquadrat“.
- In ein und der selben Nachricht sind viele Botschaften gleichzeitig enthalten.
- Alle vier Aspekte sind gleichrangig (bzw. ist der reine Sachinhalt des Öfteren bewusst nicht die eigentliche Botschaft).
Jeder Vorgang verbaler zwischenmenschlicher Kommunikation ist demnach von vier Seiten her zu betrachten. Wir sprechen mit „4 Schnäbeln“ und hören mit „4 Ohren“ zu. Bei der Betrachtung nonverbaler Äußerungen entfällt meist der Sachinhalt.
- Sach-Aspekt: „Wie kann ich Sachverhalte klar und verständlich mitteilen?“ Dabei werden Sachinformationen gegeben. (Es ist…)
- Beziehungs-Aspekt: „Wie behandle ich meinen Mitmenschen durch die Art meiner Kommunikation?“ Aus dieser Nachricht geht ferner hervor, wie der Sender zum Empfänger steht, was er von ihm hält. (Wir sind…, Du bist…)
- Selbstoffenbarungs-Aspekt: „Was teile ich in der Kommunikation von mir selbst mit?“ In jeder Nachricht stecken auch Botschaften über die Motive, Empfindungen, Werte des Senders, wobei damit sowohl die gewollte Selbstdarstellung als auch die unfreiwillige Selbstenthüllung einzuschließen ist. (Ich bin…)
- Appell-Aspekt: „Was will ich mit meiner Mitteilung erreichen?“ Fast alle Nachrichten haben die Funktion, den Empfänger zu etwas zu veranlassen. (Ich will…, Du sollst…)
Dieselben Fragen können und sollen in der Betrachtung zwischenmenschlicher Kommunikation für den Empfang von Nachrichten formuliert werden. Als Empfänger sollte man die vier Aspekte hinsichtlich ihrer Kongruenz analysieren. Meistens ist der Sach-Aspekt dann gar nicht so wichtig und der eigentliche Inhalt „versteckt“ sich im Appell. Dabei kann sowohl die Sendung als auch der Empfang aller Aspekte außer dem Sachinhalt bewusst oder unbewusst sein.
Das Modell eignet sich nicht nur sehr gut für die Analyse konkreter Mitteilungen, sondern auch zur Aufdeckung von Kommunikationsstörungen oder zur Gliederung eines Problemfeldes.
Ein Beispiel: In vielen Organisationen orientiert sich die Vergabe von Mitteln häufig an der Selbstdarstellung – wer sich besser verkaufen kann und die überzeugendsten Argumente hat, erhält mehr Ressourcen. Durch die vorgegebene Struktur dieses Modells, lassen sich jedoch dementsprechende Kommunikationsereignisse relativ gut analysieren und erlauben so einen „Blick hinter die Kulissen“.
4 Seiten Modell bewusst machen – andere „lesen“ können
Manche Menschen sind richtige Naturtalente in der Kommunikation. Sie wissen sofort, was der andere meint, auch wenn dieser es nicht „richtig“ ausdrücken kann. Bei Menschen, die wir gut kennen, oder deren Situation uns aus eigener Erfahrung bestens bekannt ist, fällt uns dies besonders leicht.
Umgekehrt fühlen wir uns am öftesten von Personen unverstanden, die sich in komplett anderen Phasen des Lebens befinden, die in anderen sozialen Umfeldern stehen oder mit anderen familiären, gesundheitlichen oder finanziellen Rahmenbedingungen zu kämpfen haben, als wir.
Abgesehen davon hängt die Fähigkeit, mit „4 Ohren“ zuzuhören, auch von den individuellen Fähigkeiten des Gehirns ab. Kleinkinder zum Beispiel konzentrieren sich zwar ab einem gewissen Alter auf die Sachebene, spüren aber sofort, wenn ihr Gegenüber nicht wirklich meint, was er sagt. Ihre „4 Ohren“ hören also schon hervorragend zu, lediglich die richtige Interpretation ihrer Wahrnehmung müssen sie erst lernen – genauso wie sie anfangs noch völlig ungeniert immer sagen, was sie wirklich meinen.
Erst ab einem Alter von etwa 10 Jahren können Kinder Sarkasmus verstehen. Hier ist der Sach-Inhalt komplett irrelevant, da er noch dazu in den meisten Fällen das genaue Gegenteil von der eigentlichen Botschaft besagt. Autisten tun sich übrigens ihr ganzes Leben lang schwer, sarkastische Menschen richtig zu entschlüsseln. Sie nehmen stets nur das, was sie auf der Sach-Ebene hören, für bare Münze und treten damit nicht selten in schlimme Fettnäpfchen.
Beispiele für Kommunikation, die nicht erfolgreich verlaufen sind:
Mann und Frau sitzen beim Essen. Der Mann bemerkt: „Da ist etwas Grünes in der Suppe!“
Nach Schulz von Thun kommt man aus Sicht des Mannes zu folgendem Ergebnis:
Sach-Inhalt: Da ist etwas Grünes in der Suppe!
Beziehungs-Inhalt: Du solltest wissen, was das ist.
Selbstoffenbarungs-Inhalt: Ich weiß nicht, was es ist!
Appell-Inhalt: Sag mir, was es ist!
Aus Sicht der Frau kann die Analyse aber folgendermaßen aussehen:
Sach-Inhalt: Da ist etwas Grünes in der Suppe!
Beziehungs-Inhalt: Du kannst nicht gut kochen.
Selbstoffenbarungs-Inhalt: Das schmeckt mir nicht!
Appell-Inhalt: Koch künftig nur noch, was ich kenne!
Dementsprechend antwortet die Frau darauf: „Koch doch selber, wenn es dir nicht schmeckt!“
Im Berufsalltag könnte ein ähnliches Beispiel folgendermaßen aussehen:
Der Manager sagt zu seinem Mitarbeiter: „Ich brauche den Bericht bis morgen früh!“
Sach-Inhalt: Ich brauche den Bericht bis morgen früh!
Beziehungs-Inhalt: Ich bin von Ihnen abhängig, da ich auch weiter berichten muss.
Selbstoffenbarungs-Inhalt: Ich befürchte, dass ich den Bericht zu spät erhalte.
Appell-Inhalt: Liefern Sie den Bericht pünktlich!
Der Mitarbeiter hört jedoch:
Sach-Inhalt: Ich brauche den Bericht bis morgen früh!
Beziehungs-Inhalt: Ich finde, Sie arbeiten zu langsam!
Selbstoffenbarungs-Inhalt: Ich könnte das schneller!
Appell-Inhalt: Beeilen Sie sich!
… und fühlt sich dadurch unnötig in seiner Leistung herab und unter Druck gesetzt.
Andererseits gibt es selbstverständlich auch Situationen, in denen die scheinbar kryptischen Botschaften des Senders vom Empfänger ohne Weiteres sofort richtig entschlüsselt werden.
Steht man mit dem Auto an der Ampel und der Beifahrer sagt „Grün“, ist der Appell unmissverständlich: „Fahr los!“. Auf den anderen Ebenen können, abhängig von der Beziehung, in der sich die beiden befinden, schon wieder Missverständnisse auftauchen.
Beziehungs-Inhalt: „Wir sind ein Team“ oder „Du kannst nicht gut Autofahren!“
Selbstoffenbarungs-Inhalt: „Ich helfe dir gerne“ oder „Ich habe besser aufgepasst“
Fazit
Kommunikation ist nach dem Modell von Schulz von Thun erst dann erfolgreich, wenn die vier Aspekte kongruent sind und auch als solches aufgefasst werden. Die empfangene Nachricht sollte der gesendeten möglichst ähnlich sein und zwar in allen vier Aspekten.
Wenn man jemanden gut kennt, kann man bereits gut abschätzen, wie gewisse Botschaften aufgenommen werden, sodass eine Übereinstimmung aller vier Aspekte nicht immer unbedingt notwendig ist (Stichwort Sarkasmus). In diesem Fall kann man es sich auch leisten, Nachrichten zu übermitteln, bei denen der Sach-Aspekt deutlich im Hintergrund steht und weiß, dass man trotzdem richtig verstanden wird.
Letztlich hat man also dann erfolgreich kommuniziert, wenn der Appell zu den beabsichtigten Handlungen und Ergebnissen führt. Um dies zu perfektionieren, kann das Know-how über den theoretischen Hintergrund des Kommunikationsquadrates enorm hilfreich sein. Und dann heißt es wie so oft üben, üben, üben!
Friedemann Schulz von Thun
Friedemann Schulz von Thun wurde 1944 in der deutschen Stadt Soltau in Niedersachsen geboren, ist Professor für Psychologie, Kommunikationspsychologe und Gründer des Schulz von Thun-Instituts für Kommunikation in Hamburg.
Abgesehen vom Kommunikationsquadrat mit den 4 Seiten einer Nachricht entwickelte er noch die 8 Stile der Kommunikation und das Modell „Inneres Team“, das ähnlich „Engelchen und Teufelchen auf der Schulter“ die inneren Stimmen eines Menschen beschreibt, die sich unbequemerweise nicht immer einig sein müssen.
Seine Bücher „Miteinander reden“ sind mittlerweile in mehreren Neuauflagen erhältlich und beschäftigen sich in erster Linie mit den unterschiedlichen Arten, in denen Menschen miteinander in Kontakt treten und interagieren. Wer sich seiner kommunikativen Eigenarten mit seinen Stärken und Schwächen bewusst ist, kann infolgedessen auch seine Entwicklungsfelder identifizieren, die zu einer Weiterentwicklung der persönlichen sozialen Kompetenz führen und zukünftig Missverständnisse und zwischenmenschliche Verstrickungen vermeiden.