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Lessons Learned Workshop: Ziele, Aufbau, Praxis-Tipps

Lessons Learned bilden Erfahrungen, Wissen, Erkenntnisse und Verständnis ab, die Personen im Zuge einer Projektabwicklung gewonnen haben. Dabei geht es sowohl um positive als auch um negative Aspekte auf unterschiedlichen Ebenen.

Speziell bei der Problembearbeitung werden in Projekten laufend positive sowie negative Erfahrungen gesammelt. Kann man dieses Wissen auch für andere nutzbar machen, erhöht man damit die Wahrscheinlichkeit von zukünftigen Projekterfolgen bzw. kann Misserfolgen und Fehlern vorbeugen.

Was ist Lessons Learned?

„Lessons Learned“ ist eine Methode des klassischen Projektmanagements, um die Erfahrungen während des Projektverlaufs (positive wie negative) systematisch zu sammeln und daraus Erkenntnisse zu ziehen, um die Abwicklung zukünftiger Vorhaben und Projekte zu verbessern. Die Methode wird oft auch als Projekt-Retrospektive bezeichnet und gehört zum Standard-Vorgehen im Wissensmanagement.

„Lessons Learned“ bzw. die „Retrospektive“ ist ein gängiger Bestandteil im Projektmanagement-Werkzeugkoffer, der wird meist im Zuge des Projektabschlusses zum Einsatz kommt. Auch im agilen Projektmanagement mit Scrum wird es nach jedem Sprint durchgeführt, um sicherzustellen, dass das Team kontinuierlich lernt und Verbesserungen umsetzt. Die tatsächliche Nutzung dieses wertvollen Wissens für neue Projekte findet leider nach wie vor nur sehr eingeschränkt statt.

Warum Lessons Learned?

Ziel der „Lessons Learned“ ist es, erworbene Erfahrungen und Erkenntnisse systematisch zu sammeln, zu verdichten, zu dokumentieren und Mitarbeitern bei ähnlich gelagerten Herausforderungen zugänglich zu machen. Zukünftige Projektteams sollen von diesen Erfahrungen profitieren, um bereits bekannte Fehler zu vermeiden und bewährte Vorgehensweisen zu nutzen, die die Wahrscheinlichkeit des Projekterfolgs erhöhen. Dazu gehört:

  • Sicherung des durch die Arbeit im Projekt erworbenen Wissens und Erfahrungen zum Prozessablauf (zusätzlich zur technisch-fachlichen Projektdokumentation)
  • Identifizierung von Stärken und Schwächen in der Projektdurchführung
  • Erkennung von Best Practices und bewährten Verfahren
  • Vermeidung von Fehlern in zukünftigen Projekten
  • Verbesserung von Prozessen und Arbeitsabläufen und dadurch Schaffung von mehr Effektivität und Effizienz in zukünftigen Projekten
  • Sichtbarmachen von Erkenntnissen aus der Projektarbeit für andere (auch für die Linienorganisation)

Die durch „Lessons Learned“ gewonnenen Erkenntnisse sind eine ausgezeichnete Grundlage um die Lernkurve im Projektmanagement zu verbessern und für die Weiterentwicklung von Projektmanagement-Standards in einem Unternehmen.

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Wann Lessons Learned?

Klassischerweise sammelt man die „Lessons learned“ nach dem Abschluss eines Projektes als Teil der Projektabschlussdokumentation. Bevor eine Detailplanung für den Ablauf der Lessons Learned erfolgt, sollten allerdings zwei wichtige Fragen gestellt werden.

  • Ist der Zeitpunkt für die Durchführung eines Lessons Learned Workshops der richtige?
  • Wie kann die Durchführung im Bezug auf die aktuelle Situation optimal gestaltet werden?

Die Beantwortung dieser Fragen ist aufgrund der Einzigartigkeit jedes Projekts nicht pauschal möglich. Die Entscheidung hängt von Faktoren wie dem Verlauf des Projekts und der Stimmung im Team während der Projektlaufzeit sowie der aktuellen Situation ab.

Für den Fall, dass das Stimmungsbarometer eher frostige Temperaturen anzeigt, sollte mit der Durchführung der Lessons Learned noch zugewartet werden. Mit etwas zeitlicher Distanz können viele Dinge emotionsloser betrachtet werden. Es darf aber auch nicht zu viel Zeit vergehen. Als Faustregel gilt: Maximal sechs Wochen nach Projektabschluss sollten auch die Lessons Learned erhoben sein.

Beispiel Lessons Learned: Vorgehensweise & Fragen

Wichtig ist eine gemeinsame Erarbeitung mit dem Projektteam und anderen wesentlichen Projektbeteiligten. Dies kann entweder im Rahmen des Projektabschlusses oder im Nachhinein (bis maximal 6 Wochen nach Projektabschluss) mittels Workshop oder Einzel-Interviews erfolgen. Die spätere Erarbeitung hat den Vorteil, dass die Mitarbeiter einige Dinge eventuell schon emotionsloser aus der Distanz betrachten können.

Zwei Fragen sind dabei zu stellen:

  • Was ist gut gelaufen?
  • Was ist schlecht gelaufen?

Sind diese zwei Fragen beantwortet, werden für die Punkte, die nicht so gut gelaufen sind, konkrete Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Diese sind vielleicht nicht alle sofort umsetzbar, bilden aber eine gute Basis für eine kontinuierliche Verbesserung der Umsetzung zukünftiger Projekte.

Beispiele für weitere mögliche Fragestellungen:

  • Was hat jeder einzelne für sich aus dem Projekt gelernt?
  • Welche Ergebnisse sind für die Linienorganisation wichtig?
  • Was soll bei zukünftigen Projekten anders gemacht werden?
  • Was soll für zukünftige Projekte beibehalten werden?

Aufbau eines Lessons Learned Workshops

Auch beim Lessons Learned-Workshop ist das Arbeiten in der Gruppe immer ein kreativer und gemeinsamer Prozess, der automatisch zu einer höheren Ergebnisqualität führt.

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Workshop Vorbereitung

  • Welche Ziele sollen erreicht werden?
  • Was soll konkret durchleuchtet werden?
  • Liegt der Fokus auf den fachlich-inhaltlichen Aspekten oder ist die Reflexion des Prozessverlaufs wichtiger? Oder beides?
  • Wenn auch die sozial-emotionale Ebene reflektiert werden soll, muss mehr Zeit eingeplant werden.
  • Abstimmung mit dem Auftraggeber. Seine Ideen, Wünsche und Anregungen sollten nicht unberücksichtigt bleiben.
  • Wer moderiert den Workshop? Insbesondere bei Projekten, wo Termine und Budgets weit überschritten und massive Spannungen im Team transparent wurden, empfiehlt sich die Moderation durch eine unbeteiligte, externe Instanz.
  • Festlegung, wer am Workshop teilnehmen soll. Nicht nur das Projektteam, sondern auch der Projektauftraggeber und externe Projektmitarbeiter können einen Beitrag leisten.
  • Erarbeitung eines Prozessdesigns für den Workshopablauf. Das Prozessdesign und die Fragestellungen sind mit einem Drehbuch zu vergleichen, in dem Punkt für Punkt festgehalten ist, wann wer was wie zu tun hat und wie viel Zeit dafür aufgewendet werden muss.
  • Reservierung von Räumlichkeiten
  • Organisation aller unterstützenden Arbeitsmittel, die für den Workshop benötigt werden (Flipchart, Pinwände, Beamer, Moderationskoffer, etc.)
  • Erstellung einer Agenda, wo der grobe Ablauf mit Zeitstruktur ersichtlich ist.
  • Rechtzeitige Einladung aller Teilnehmer mittels Versand der Agenda. Tipp: Stimmen Sie den Termin im Vorfeld mit jenen Personen ab, deren Teilnahme am Workshop besonders wichtig ist.

Workshop Durchführung

Die Durchführung des Workshops hängt von der Gestaltung des Drehbuchs ab. Was im Vorfeld gut überlegt und geplant wurde, wird jetzt 1:1 umgesetzt. Kleine Kurskorrekturen sind – wenn notwendig – natürlich erlaubt. Folgender musterhafter Ablauf hat sich bewährt:

  • Begrüßung der Teilnehmer.
  • Vorstellung der Ziele des Workshops, des Ablaufs und der Zeitstruktur.
  • Vereinbarung von „Spielregeln“ für den Workshop. Was ist zulässig, was nicht. Anregungen aus dem Teilnehmerkreis sollten angenommen werden, sofern sie unterstützend und konstruktiv sind.
  • Start der Reflexion erst, wenn alle Teilnehmer die Aufgabenstellung verstanden haben. Es ist wichtig, dass alle wissen was zu tun ist.
  • Sicherstellung, dass alle Ergebnisse strukturiert und gut lesbar dokumentiert werden.
  • Nach spätestens zwei Stunden sollte eine Pause eingeplant sein. Bei Kaffee und einem kleinen Imbiss läuft die Reflexion ohnehin weiter, manchmal sogar intensiver als in den strukturierten Einheiten.
  • Wenn die Reflexion abgeschlossen ist, Vereinbarung, wie das weitere Vorgehen aussieht und was mit den Ergebnissen im Detail weiter passiert.
  • Zum Abschluss sollte der Teilnehmerkreis die Möglichkeit für ein konstruktives Feedback erhalten.

Workshop Nachbereitung

  • Fotodokumentation der Workshopergebnisse und Erstellung eines Fotoprotokolls, welches zeitnah an den gesamten Teilnehmerkreis ausgesendet wird.
  • Übergabe der Ergebnisse / des Datenmaterials an die zuständigen Funktionsträger im Unternehmen, um sicherzustellen, dass die künftigen Projekte auf den Erfahrungsschatz zugreifen und davon profitieren können.
  • Mögliche zuständige Organisationseinheiten im Unternehmen können sein „Project Management Office (PMO)“, „Organisationsabteilung“, „Qualitätsmanagement“, etc.
  • Wenn es diese „Zuständigkeiten“ in Ihrem Unternehmen nicht gibt, dann zeigen Sie das Problem bei den richtigen Stellen auf und machen Sie darauf aufmerksam, wie viel Erfahrung, Wissen und Know-how zur Weiterentwicklung des Projektmanagements hier ungenützt im Sand verläuft.

Tipps und Tricks aus der Praxis

  • Lessons Learned sollte nicht nur mit dem Projektteam, sondern auch mit dem Projektauftraggeber und externen Projektmitarbeitern durchgeführt werden (eventuell jeder für sich, um eine gegenseitige Beeinflussung auszuschließen).
  • Die wesentlichen Erkenntnisse sollten allen Beteiligten zugänglich sein.
  • Weniger ist mehr: vor allem die Dinge, die sich bewährt haben und jene, die schief gegangen sind, herausstreichen. So können die wichtigen Informationen auf einen Blick erfasst werden.
  • Die Lessons Learned können auch Empfehlungen für ähnliche zukünftige Vorhaben enthalten.
  • Die Wiederauffindbarkeit der Ergebnisse muss gewährleistet sein, z.B. durch eine zentrale Archivierung der Lessons Learned aller Projekte (oder zumindest einer Kopie davon).
  • Treten immer wieder dieselben Probleme in Projekten auf, sollte dies als Anlass für generelle, unternehmens- oder bereichsweite Verbesserungsmaßnahmen dienen.

Warum wird das erworbene Wissen so selten genutzt?

Die Methode „Lessons Learned“ ist relativ einfach durchzuführen. Trotzdem wird diese Form der Wissensnutzung äußerst selten angewendet. Sehr oft wird überhaupt kein Versuch unternommen, die im Projekt erworbenen Erfahrungen zu dokumentieren.

Aber selbst wenn ihre Dokumentation zum Projektabschluss erfolgt, ist damit noch lange nicht sichergestellt, dass die Mitarbeiter, die diese Informationen in der Zukunft dringend benötigen, Zugang dazu haben bzw. diesen auch nutzen.

In den allerwenigsten Organisationen gelingt es, das erworbene Wissen so zu sammeln und aufzubereiten, dass es im Anlassfall (der oft viel später sein kann) für die Mitarbeiter verfügbar ist. Über die Ursachen des Scheiterns kann man nur spekulieren:

  • In der Regel hat das Projektteam, welches für das Sammeln der Informationen zuständig ist, keinen unmittelbaren Nutzen davon, sondern es entstehen zunächst nur zusätzliche Aufwände.
  • Es gibt keine Verpflichtung (z.B. durch firmenweite PM-Standards), es zu tun.
  • Während man über positive Leistungen und Ergebnisse gerne spricht, wird über negative Erkenntnisse lieber der Mantel des Schweigens gehüllt.
  • Nach oft erfolgreichem, manchmal auch relativ mühsamem Projektabschluss sind alle Beteiligten froh, dass es vorbei ist. Die Motivation zur Reflexion ist äußerst gering.
  • Unklarheit über den Wert von „Lessons Learned“ und wie man dieses Wissen nutzen kann.
  • Mangelnde Ressourcen und Zeit, um das Wissen effektiv zu dokumentieren und zu teilen.
  • Selbst wenn die Informationen gesammelt werden (ein professioneller Projektleiter wird darauf bestehen), verschwindet die Dokumentation oft in Papierarchiven oder in den unendlichen Weiten der Festplatten der Firmenserver. Dort werden sie zwar täglich gesichert. Aber niemand weiß, dass sie existieren, geschweige denn findet jemand die Informationen, wenn er sie benötigt.

Rahmenbedingungen für erfolgreiche Lessons Learned

Erfahrungsgemäß tragen drei Rahmenbedingungen dazu bei, die Wahrscheinlichkeit, dass das erworbene Wissen auch für andere  wiederverwendbar wird, zu erhöhen:

  • Eine konstruktive und aufgeschlossene Unternehmenskultur, die es zulässt, dass man offen über Fehler und Probleme spricht.
  • Ein standardisiertes Vorgehen für die Abwicklung von Projekten im Unternehmen, in dem die Dokumentation der „Lessons learned“ verbindlich vorgegeben ist.
  • Eine Person oder Abteilung im Unternehmen (zum Beispiel ein Project-Office), die dafür verantwortlich ist, dass erstens dieses Know-how gesammelt und dokumentiert wird und zweitens die daraus gewonnenen Erkenntnisse auch zur Optimierung in der Projektarbeit genutzt werden.

Sind diese Rahmenbedingungen erfüllt, steigt die Chance erheblich, Informationen und Erfahrungen aus früheren Projekten nicht zu ungehobenen Gold Nuggets werden zu lassen, sondern sie für zukünftige Vorhaben zu nutzen und aus vergangenen Fehlern zu profitieren. Denn Fehler sind erlaubt – solange man daraus lernt und nicht den gleichen Fehler noch einmal begeht.

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