Die Kraftfeldanalyse ist ein einfaches und schnelles Instrument zur Analyse, um Einflussfaktoren – Macht und Einstellungen – auf ein Projekt zu finden und sichtbar zu machen. Die Kraftfeldanalyse stellt die treibenden, helfenden, fördernden und rückhaltenden, hindernden, blockierenden Faktoren eines Projektes bzw. einer Situation dar.
In jedem Projekt hat man es mit unterschiedlichsten Interessen, Ängsten und Widerständen zu tun. Als Projektleiter gilt es, diese Kräfte, die auf das Projekt einwirken und sich auch gegenseitig beeinflussen, zu steuern. Der erste Schritt um etwas steuerbar zu machen ist, es sich bewusst bzw. sichtbar zu machen. Dadurch werden die vorhandenen Machtverhältnisse sicht- und auch steuerbar.
Inhaltsverzeichnis
Warum Kraftfeldanalyse?
Als Projektleiter ist es wichtig die treibenden (helfenden, fördernden) und hemmenden (hindernden, blockierenden) Kräfte zu kennen, die auf das Projekt einwirken. Insbesondere, wenn es sich um wichtige Meinungsbildner und Entscheidungsträger handelt, die im Hintergrund die Fäden ziehen.
Wichtig ist die Erkenntnis, dass die Veränderung einer unbefriedigenden Situation im Projekt immer auf zwei Arten erfolgen kann:
- Man kann die positiven, treibenden Kräfte verstärken und
- Man kann die negativen, blockierenden Kräfte abschwächen.
Welche der beiden Möglichkeiten den richtigen Ansatz darstellt, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Eine Erkenntnis kann auch sein, dass man an der Situation im Projekt nichts ändern kann und im Extremfall das Projekt sogar abbrechen muss. Das ist aber immer noch besser als ohne Aussicht auf Erfolg „weiterzuwurschteln“.
Ziele der Kraftfeldanalyse
- Identifikation relevanter Umfelder (Gruppen, Organisationen, Personen, etc), die Macht haben und auf das Projekt einwirken
- Erkennen von fördernden und hemmenden Einflüssen (die Kraftfelder) mit ihren Wirkungen auf das Projekt
- Erarbeiten von Lösungen um eine positive Veränderung der Kraftfelder im Sinne des Projektes zu erreichen
- Schaffung einer Entscheidungsgrundlage um Maßnahmen zur Beeinflussung der Kraftfelder setzen zu können
Wann macht man eine Kraftfeldanalyse?
Es gibt unterschiedliche Ausgangssituationen, wo die „Kraftfeldanalyse“ einen wichtigen Dienst für eine erfolgreiche Projektumsetzung leisten kann. Am häufigsten wird sie angewandt, wenn sich das Projekt gerade in der Startphase befindet. Eine ideale Ausgangsbasis für die Kraftfeldanalyse stellt die Umfeldanalyse dar, die standardmäßig in der Projektstartphase erstellt wird. Diese sollte alle Einflussfaktoren beinhalten.
Die Kraftfeldanalyse kann aber auch bei entscheidenden Veränderungen im Umfeld erstellt werden bzw. wenn Einflüsse auf das Projekt spür- und merkbar sind, die Ursache dafür aber nicht bekannt ist.
Mit der Kraftfeldanalyse analysiert man wer ein Projekt beschleunigt oder bremst
Erstellung einer Kraftfeldanalyse
Personenkreis zur Erarbeitung festlegen
Zuallererst legt man den Personenkreis fest, der bei der Analyse der Einflussfaktoren mitarbeiten soll. Man kann die Kraftfeldanalyse z.B. mit dem Projektauftraggeber, speziell ausgewählten Personen oder mit dem gesamten Projektteam erstellt werden. Wenig empfehlenswert ist die Durchführung der Kraftfeldanalyse durch nur eine Person, da dabei die unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen des Projektteams fehlen und eine Diskussion darüber nicht möglich ist.
Ideal ist die Durchführung der Analyse mit bewusst selektierten Mitarbeitern aus dem Projektteam, die mit den Umfeldern des Projektes schon gut vertraut sind.
Die Kraftfeldanalyse sollte nicht vom Projektleiter alleine durchgeführt werden.
Das Koordinatensystem
Um die Machtverhältnisse in Relation zur Einstellung zu den Projektzielen abbilden zu können, braucht man ein Koordinatensystem mit vier Quadraten (-5 bis +5 auf der x- und y-Achse). Eine Achse bildet den Machtfaktor ab (wenig Macht / viel Macht). Die zweite Achse bildet die Unterstützung für das Projekt ab (totale Ablehnung / volle Unterstützung).
Dadurch ergeben sich folgende Quadranten
- Quadrant 1: Unterstützung bis volle Unterstützung für das Projekt; keine Macht bis wenig Macht
- Quadrant 2: Unterstützung bis volle Unterstützung für das Projekt; viel Macht bis sehr viel Macht
- Quadrant 3: Ablehnung bis totale Ablehnung des Projekts; Macht bis wenig Macht
- Quadrant 4: Ablehnung bis totale Ablehnung des Projekts; Macht bis sehr viel Macht
Einflussfaktoren auf das Projekt identifizieren
Gemeinsam mit dem ausgewählten Team sammelt man an alle relevanten Personen, Personengruppen, Organisationen, Unternehmen, etc., die Einfluss auf das Projekt haben bzw. nehmen können. Am besten sammelt man diese auf einer Liste oder auf Kärtchen, etc. Dies ist ein kreativer Teamprozess, dem man ausreichend Zeit widmen muss. Eine Strukturierung ist bei diesem Schritt noch nicht notwendig.
Die Einflussfaktoren im Koordinatensystem positionieren
Wenn alle Einflussfaktoren identifiziert sind, wird je Einflussfaktor das Machtverhältnis zum Projekt (wenig Macht bzw. viel Macht) und der Einfluss auf das Projekt (unterstützt bzw. bremst) abgeschätzt und im Koordinatensystem auf der x- und y-Achse eingetragen. Dabei sollen die Gründe für die Anschauung ausreichend diskutiert und unterschiedliche Positionen ausgetauscht werden. Wichtig ist hier, dass alle Teilnehmer offen ihre Meinung einbringen.
TIPP: Auch Personen mit wenig Macht dürfen nicht außer Acht gelassen werden – Machtverhältnisse in Unternehmen ändern sich schnell!
Beispiel einer Kraftfeldanalyse
Steuernde Maßnahmen definieren
Wenn alle Einflussfaktoren im Kraftfelddiagramm positioniert und diskutiert wurden, hat man einen wesentlichen Schritt gesetzt. Jetzt weiß man sehr genau, wer welche Einstellung zum Projekt und welche Möglichkeiten der Einflussnahme hat. Durch die visualisierte Darstellung ist leicht erkennbar, wer bzw. welche Machtfaktoren auf das Projekt positiven bzw. negativen Einfluss nehmen.
Im nächsten Schritt geht es an die Auswertung. Am besten überlegt man je Quadrant im Team, worin adäquate Maßnahmen zur Steuerung der Kraftfelder bestehen könnten.
Quadrant 1:
Im 1. Quadranten gibt es Unterstützer mit wenig Macht und Einfluss. Diese Mitarbeiter sind wichtig für das Projekt, da Sie wahrscheinlich operativ mitarbeiten. Hier muss man darauf achten, dass die Rahmenbedingungen für die Projektarbeit stimmen und die Personen auch zeitnah mit für sie relevanten Informationen aus dem Projekt versorgt werden.
Quadrant 2:
Der 2. Quadrant ist aus Projektsicht der Wichtigste. Hier finden sich alle Personen(-gruppen), die dem Projekt wohlwollend gegenüberstehen. Darüber hinaus besitzen alle Personen im 2. Quadranten Macht und Einfluss. Von diesen Personen kann man viel hilfreiche Unterstützung im Projekt erwarten. Diese Zielgruppe muss unbedingt intensiv und proaktiv in das Projektgeschehen eingebunden werden. Je mehr desto besser. Es kann nur gut für das Projekt sein.
Quadrant 3:
In diesem Quadranten sind jene Mitarbeiter, die dem Projekt wenig abgewinnen können und eher eine negative Haltung gegenüber dem Projekt haben. Sie sind allerdings unkritisch fürs Projekt, da Sie wenig bis kaum Macht besitzen und daher keinen direkten Einfluss nehmen können.
Aber Achtung! Jedes Unternehmen lebt von den Netzwerken, die sich neben der Auf- und Ablauforganisation gebildet bilden. Der indirekte Einfluss über Zweite oder Dritte darf nicht unterschätzt werden. Hier ist es also sinnvoll zu analysieren, ob diese Personen evtl. „Einflüsterer“ von wichtigen und mächtigen Personen sind.
Quadrant 4:
Der 4. Quadrant kann für das Projekt mitunter sehr kritisch werden. Hier tummeln sich Meinungsbildner, Stakeholder und Führungskräfte, die über die Projektrealisierung wenig bis gar nicht erfreut sind und aufgrund ihrer Macht kräftige Interventionen – direkt oder indirekt – führen können.
Mit diesen Personen(gruppen) darf man sich auf keinem Fall auf eine direkte Konfrontation einlassen. Derartige Machtspiele kann man selten gewinnen. Hier gilt es zu überlegen, wie man eventuell aus neutraler Position vermitteln kann. Eine bewährte Variante ist es auch, sich tatkräftige Unterstützung von den Führungskräften aus dem 2. Quadranten (positiv zum Projekt eingestellt und mit Macht) zu holen. Dadurch kann meist, zumindest machtmäßig, ein Ausgleich hergestellt werden, der die negative Energie der Projektgegner neutralisiert.
Gibt es im 4. Quadranten Personen(-gruppen) die mehr Macht als die Befürworter des Projektes haben, dann muss man dies als Projektleiter auf jeden Fall mit dem Projektauftraggeber besprechen. Für eine erfolgreiche Projektarbeit sind das denkbar schlechte Voraussetzungen. In jedem Fall sollte man versuchen, Maßnahmen zu finden, um den möglichen negativen Einflüssen etwas entgegen zu setzen.
Im Extremfall kann es aber auch dazu kommen, dass erkannt wird, dass eine wesentliche Veränderung der Kraftfelder nicht möglich ist (z.B. wenn eine Organisation oder Person mit extrem viel Macht das Projekt total ablehnt). In diesem Fall ist zu überlegen, ob eine Fortführung des Projektes überhaupt sinnvoll ist.
Maßnahmen umsetzen
Es genügt nicht, die auf das Projekt einwirkenden Kräfte sichtbar zu machen. Vielmehr ist es wichtig, aus dem gewonnen Bild die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und konkrete Maßnahmen abzuleiten, die im Projekt auch umgesetzt werden. Aufgrund der intensiven Diskussion und Analyse liegen dem Projektteam viele gewonnene Erkenntnisse vor, die in weiterer Folge auch konkret umgesetzt werden müssen.
Die Kraftfeldanalyse controllen
Die Durchführung der Analyse der Einflussfaktoren ist zum Zeitpunkt der Durchführung eine Momentaufnahme. Mit fortlaufender Projektlaufzeit kann sich die vorgenommene Bewertung ändern. Es ist sinnvoll, im Zuge des Projektcontrollings hin und wieder die „Kraftfeldanalyse“ zur Hand zu nehmen und die Bewertung und Einschätzung von „damals“ überprüfen.
Am besten macht man das mit den Personen, die auch bei der Erarbeitung dabei waren. Mitunter ergeben sich daraus neue Erkenntnisse, da Machtverschiebungen in Unternehmen ja nicht selten vorkommen.
Tipps und Tricks
- Die Dimension „Zeit“ spielt im Zusammenhang mit Macht auch immer eine Rolle. Diese wird durch die Kraftfeldanalyse aber nicht dargestellt muss aber unbedingt berücksichtigt werden!
- Oft ist es einfacher, eine gegenüber dem Projekt neutral eingestellte Person mit viel Macht in einen Projektbefürworter umzuwandeln, als einen Projektgegner zu „bekehren“.
- Es genügt nicht, die auf das Projekt einwirkenden Kräfte sichtbar zu machen. Wichtig ist es, aus dem gewonnen Bild die richtigen Schlussfolgerungen und Interpretationen zu ziehen und konkrete Maßnahmen abzuleiten, die im Projekt auch umgesetzt werden.
- Auf Grund der gewonnen Erkenntnisse aus der Kraftfeldanalyse können sehr leicht notwendige Projektmarketingmaßnahmen abgeleitet werden.
- Achtung: MACHT kann ein heißes Thema sein, verbrennen Sie sich nicht die Finger!