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Projektwürdigkeitsanalyse

Der Begriff „Projekt“ wird längst inflationär verwendet. Die Projektwürdigkeitsanalyse schafft Klarheit ob ein Projekt tatsächlich ein Projekt ist. Sie ist eine Bewertungsmatrix, mit deren Hilfe Aufgaben und Projekte eines Unternehmens nachvollziehbar und strukturiert auf ihre Projektwürdigkeit hin untersucht werden können.

Projekte sind einzigartige und einmalige Aufgabenstellungen, die ein konkretes Ziel verfolgen und einen klar definierten Start- und Endzeitpunkt haben. Darüber hinaus sind Projekte äußerst riskant und technisch-inhaltlich aber vor allem sozial-organisatorisch sehr komplex.

Die Ausgangssituation

Ein gängiges Problem in vielen Unternehmen ist, dass mit dem Begriff „Projekt“ gerne alles bezeichnet wird, was als Aufgabe geplant und zu erledigen ist. Das Verständnis der Mitarbeiter und Führungskräfte über die Kriterien eines Projektes ist teilweise sehr unterschiedlich und dadurch für das Projektmanagement-Verständnis im Allgemeinen nicht besonders förderlich.

Darum ist es wichtig, dass ein Unternehmen diese unterschiedlichen Sichtweisen zusammenführt und sehr klar und unmissverständlich regelt, welche Aufgabe im Unternehmens-Sprachgebrauch als Projekt bezeichnet wird und welche nicht. Das Werkzeug, welches hierfür vom Projektmanagement-Methoden-Koffer zur Verfügung gestellt wird, ist die Projektwürdigkeitsanalyse.

Sinn und Zweck der Projektwürdigkeitsanalyse

  • Erfassung der Komplexität einer Aufgabenstellung (Womit haben wir es zu tun?)
  • Bewusstseinsbildung über die Herausforderung bei den Projektbeteiligten
  • Strukturierte Prüfung der Projektwürdigkeit
  • Schaffung der Voraussetzung für die Anwendung des optimalen Abwicklungsprozesses
  • Vermeidung von Ressourcenverschwendung
  • Nachvollziehbare Entscheidungsfindung bzgl. Projekt-Priorität im Unternehmen
  • Vermeidung von „Projektitis“
  • Klare Unterscheidung zwischen Routineaufgaben, projekt-ähnlichen Aufgaben, Projekten und Großprojekten/Programmen
  • Anwendung von Projektmanagement statt Projektverwaltung
  • Entscheidungshilfe für die Besetzung des Projektleiters

Ziel der Projektwürdigkeitsanalyse

Komplexität der Aufgabenstellung erfassen

Die Projektwürdigkeitsanalyse ist eine Bewertungsmatrix, mit deren Hilfe Aufgaben und Vorhaben eines Unternehmens nachvollziehbar und strukturiert auf ihre Projektwürdigkeit hin untersucht und geprüft werden. Die Basis dafür bildet ein projektspezifischer und unternehmensintern zu erstellender Kriterienkatalog. Ziel ist es, die Komplexität der Aufgabenstellung zu erfassen, um daraus den optimalen Abwicklungsprozess für das Vorhaben abzuleiten.

Klare Kriterien für Projekte

Die Definition der Kriterien, nach denen die Komplexität eines Vorhabens beurteilt wird, sollte auf jeden Fall im Team erfolgen, um zu gewährleisten, dass die Erfahrungen der Projekt-Mannschaft im Unternehmen adäquat berücksichtigt werden. Dieses Team besteht optimalerweise aus Experten, die Erfahrung und Know-how im Projektmanagement haben und die Strukturen des Unternehmens kennen. Darüber hinaus sollten Spezialisten aus verschiedenen Unternehmensbereichen mitarbeiten, um eine möglichst objektive Sicht der Dinge zu gewährleisten.

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Nicht überall, wo Projekt draufsteht, ist auch Projekt drin!


Kriterienfindung für die Projektwürdigkeitsanalyse

Die Festlegung der Kriterien für eine Projektwürdigkeitsanalyse im Unternehmen ist kein leichtes Unterfangen. Eine fundierte Vorarbeit ist für ein effizientes Vorankommen wichtig.

Die vorhandene Projektlandschaft durchleuchten

Zuallererst sollte die vorhandene Projektlandschaft systematisch durchleuchtet werden. Die bereits umgesetzten Vorhaben der letzten 3 bis 5 Jahre im Unternehmen sind zu untersuchen, unabhängig davon, ob diese Projekte erfolgreich waren oder nicht. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass es eine Dokumentation zu den Projekten gibt. Für den Fall, dass keine Dokumentation vorhanden ist, kann man durch Gespräche mit den wichtigsten Projektbeteiligten Informationen, soweit das möglich ist, zusammentragen.

Differenzierungsmerkmale der Projekte

Am besten betrachtet man die Projekte hinsichtlich typischer Differenzierungsmerkmale wie Inhalt, Investitionsgröße, soziale oder fachliche Komplexität, strategische Bedeutung für das Unternehmen, Risiken, etc.

Auch die Clusterung der Projekte aufgrund der quantitativen Größen ist hilfreich.
Zum Beispiel:

  • 45% aller Vorhaben liegen bei einem Investitionskapital < EUR 45.000,– oder
  • bei 80 % aller Vorhaben waren weniger als 5 Personen involviert.

Ergebnis der Analyse

Das Ergebnis der Analyse liefert Informationen, wie viele Vorhaben und Projekte in einem definierten Zeitraum abgewickelt wurden, welche davon eher große und herausfordernde „Brocken“ und wie viele davon eher klein und wenig aufregend waren. Es gibt auf jeden Fall einmal eine gute Übersicht zur Projektlandschaft im Unternehmen:

  • Wie viele Projekte gibt es im Unternehmen?
  • Werden überwiegend Großprojekte abgewickelt, oder sind die meisten doch eher kleinere Vorhaben?
  • Wie groß sind die Projektteams?
  • Gibt es Vorgaben für eine standardisierte Projektabwicklung?
  • Verlaufen die Projekte erfolgreich? Gibt es auch Misserfolge?
  • etc.

Mit dieser systematischen Durchleuchtung der Vergangenheit sind erste Erkenntnisse und Anhaltspunkte über die Projektlandschaft des Unternehmens gesammelt, die für die Diskussion mit weiteren Fachexperten sehr hilfreich sind.

Exemplarische Bewertungskriterien

Typische Kriterien von Projekten:

  • Dauer des Projektes
  • Auftragswert
  • Größe des Projektteams
  • Anzahl der involvierten Organisationseinheiten und Firmen
  • Strategische Bedeutung für das Unternehmen
  • Hohes Risiko
  • Neuartigkeit
  • Etc.

Typische Kriterien von NICHT-Projekten:

  • Aufgaben mit Routinecharakter
  • Kleine und einfache Aufgaben
  • Nicht interdisziplinäre Aufgaben

Einen unternehmensspezifischen Kriterienkatalog erstellen

Bei der Erstellung des Kriterienkataloges ist zu berücksichtigen, dass eine einzige Kriterienliste für das gesamte Unternehmen nicht immer sinnvoll ist. Projekte im Forschungs- und Entwicklungsbereich haben andere Dimensionen, als solche im Infrastruktur- oder IT-Bereich und bedürfen deswegen einer differenzierten Betrachtungsweise.

Kriterienkatalog im Team erarbeiten

Idealerweise werden die Kriterien für die Methode „Projektwürdigkeitsanalyse“ in einem Team von relevanten Projektmanagement-Experten des Unternehmens entwickelt. Um herauszufinden, wer dabei aktiv mitgestalten soll, sind folgende Leitfragen hilfreich:

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  • Wer ist zukünftig direkt und indirekt betroffen?
  • Wer profitiert von den Projekten?
  • Welche Know-how-Träger und Experten gibt es?
  • Wer sind die richtigen Entscheidungsträger?
  • Welche Funktionsträger müssen informiert bzw. aktiv eingebunden werden?

Tipp: Man sollte versuchen die Arbeitsgruppe schlank zu halten. Optimalerweise benötigt man Experten, die Erfahrungen im Projektmanagement haben und die vorhandenen Strukturen im Unternehmen gut kennen. Das Einbeziehen von Mitarbeitern aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen ist empfehlenswert, da eine objektive Sicht der Dinge ermöglicht wird.

Externen Berater beiziehen

Oft kann es auch hilfreich sein, einen externen Berater zur Unterstützung im Workshop hinzuziehen. Das Einbringen von Erfahrungen und Sichtweisen anderer Unternehmen verbessert die Ergebnisqualität.

Der Kriterienkatalog ist festgelegt

Sind einmal Kriterien definiert, sollten diese möglichst stabil bleiben und nur im Sinne der lernenden Organisation regelmäßig auf Gültigkeit überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Darüber hinaus sollte man sich auch zu den folgenden zwei Fragestellungen Gedanken machen:

  • Wie soll die Methode „Projektwürdigkeitsanalyse“ zukünftig im Unternehmen eingesetzt werden?
  • Welcher Zweck wird damit verfolgt und welcher Nutzen ergibt sich dadurch für das Unternehmen?

Einsatz der Projektwürdigkeitsanalyse

Instrument in der Projekt-Startphase

Die Anwendung der Projektwürdigkeitsanalyse erfolgt sinnvollerweise in der Initiierungs- und Startphase eines Projektes und ist entweder als institutionalisiertes Instrument im Projektmanagementstandard verankert oder kann vom Mitarbeiter eigenständig als Methode zur Selbstreflexion und Bewusstseinsbildung herangezogen werden. Die Erkenntnis über die zu bewältigende Aufgabe ist extrem aufschlussreich und fördert vehement die Auswahl der geeigneten Methode und Arbeitsweise.

Das Gießkannenprinzip

All zu oft werden die Projekte gleich betrachtet und mit demselben Projektmanagement-Standard bearbeitet. Die Anwendung des „Gießkannenprinzips“  ist hier sehr ineffizient und kostet der Organisation unnötigen Ressourceneinsatz und administrativen Aufwand.

Adäquate Projekttypen

Eine klare Unterscheidung in unterschiedliche Projekttypen (kein Projekt, projekt-ähnliche Aufgabe, Projekt, Großprojekt/Programm) ist ausschlaggebend für die effektive und effiziente Abwicklung der Aufgabenstellungen. Jede Aufgabe braucht eben ihren adäquaten Abwicklungsprozess.

Beispiel für eine Projektwürdigkeitsanalyse:

Matrix einer Projektwürdigkeitsanalyse

Fazit

Die Projektwürdigkeitsanalyse ist in den wenigsten Unternehmen als institutionalisierter Teil des Projektmanagement-Standards etabliert. Wenn doch, dann oft nur in sehr reduzierter Form. Das einzige Betrachtungskriterium ist in den meisten Fällen die Kostenintensität, nach dem Motto: Alles, was mehr als 10.000 Euro kostet, ist ein Projekt.

Das Resultat ist die bereits erwähnte Projektitis, es gibt zu viele Projekte, die eigentlich keine sind. Dies ist ein organisatorisches Defizit, das im Unternehmen viel Potenzial verschlingt und dem Einhalt geboten werden muss.

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Tipps und Tricks für die Praxis

  • Verwenden Sie einheitliche Kriterien-liste(n) im Unternehmen
  • Führen Sie die Projektwürdigkeitsanalyse immer im Team durch.
  • Es gibt keine absolut richtigen Kriterien für die Projektwürdigkeit, jedes Unternehmen muss seine passenden Kriterien selbst definieren.
  • Alle größeren Vorhaben müssen die Projektwürdigkeitsanalyse durchlaufen.
  • Halten Sie den Zeitaufwand gering (Teamsitzung von maximal 4 Stunden)
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